Vita Gregorii abbatis prior 0001

Aus Repertorium Saracenorum
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Vita Gregorii abbatis prior 0001
aus dem Werk Vita Gregorii abbatis prior
Zitation Vita Gregorii abbatis prior 9, ed. Holder-Egger 1888, S. 1189.
datiert auf 986/987
VerfasserIn VerfasserIn unbekannt
Abfassungsort Abfassungsort unbekannt


Inhaltsangabe

Sarazenen unter ihrem Anführer Scandalis fallen [ca. 986/987] im Auftrag ihres Königs in Süditalien ein. Abt Gregor und die Mönche des Klosters in Cerchiara fliehen. Auf der Flucht wird Gregor allerdings von Sarazenen gefangen genommen. Seine Folterung wird durch ein Wunderereignis verhindert.

Volltext

[…] Unus ex Sarracenorum primoribus Scandalis [​Sandalis​] nominatus, a rege suo in obsidione Cassianae [​Cassano all‘Iono​] civitatis delegatus, commilitonibus suis, sicut totius pietatis neglector et sanctae religionis improbus insecutor, firmiter precepit, ut irent et circumiacentia devastarent et nichil in villis vel saltem in ecclesiis dimitterent, quin universa cautae indagationis scrutinio exquisita et in unum collecta – homines dico et pecora, pecunias et vestimenta – suae maiestatis providentia dividendum afferrent. Hanc tyrannidem et huius precepti austeritatem audientes, stupefacti cives omnes fugam inierunt, et universi eorum vicini ab eis, ut fugerent, admoniti, fugae eorum consortes fieri non titubabant. Inter quos fugerunt et monachi beati Gregorii [​Abt Gregor von Kalabrien​], fugit et ipse, monachis duobus se comitantibus. Monasterium ergo [​Cerchiara​], cui preerat, tantummodo 5 stadiis a civitate Cassiana distare cognovimus. Sane Sarracenis euntibus et tyrannidis suae votum cuncta depredando inplentibus, fugiendi ignarus obviavit eis pater Gregorius; quem ut abbatem monasterii esse didicerunt, sitim suae avariciae estimantes extinguere, tum questus sui posicionem apprehendere, interrogaverunt eum, ubinam locorum inventuri essent pecuniam multum temporis ab ipso congregatam. Quibus ille, propter eorum severitatem suam non dimittens observare veritatem, modeste respondit: 'Fratres, parvitatem pecuniae, quam habemus, vos celare non debemus; 27 tarinos in monasterio dimisimus, quos in usum fratrum conservandam decrevimus, nichil vero amplius de pecunia possidemus'. Illi vero huius modicae pecuniae numerabili professione magno affecti furore, haec verba ira ministrante prolata clamabant: 'Ignavum hunc tollite et variis tormentorum generibus afflictum, quod antea noluit sponte, nunc agite coactum ostendere!' Quorum minis penitus ab ipso anullatis, in catastum eum ponentes et verenda eius vinculis admodum stringentes, continuo brachia eorum arefacta manebant. Quem vero qui nondum accesserant solventes, debilitatis ut afferret remedium suae intercessionis, deposcebant. Magisterialis autem precepti haut inmemor, bonum pro malo reddidit ac pro inimicis exorando veniam impetravit ac pristinae sanitati eorum brachia reformavit [Rom. 12, 17]. Quo miraculo non minimum omnes stupefacti, ex eis unus dolore dentium acriter fatigatus, hic adminiculum sui medicaminis expostulans, statim sigrio crucis ad locum doloris obposito, sanavit eum omnimodo. His binis miraculis divina favente clementia tam repente inceptis et misericorditer cito peractis, caritatis latitudo horum fuit ordinatrix, quia non solum eis ea quae in se peccaverunt indulsit, verum etiam Dei in eos vindictam per suae intercessionis gratiam amovit et eos prius habitae saluti, Deo miserante, restituit.

Übersetzung

[…] Ein Sarazenenfürst, Scandalis [​Sandalis​] mit Namen, der von seinem König den Auftrag erhalten hatte, die Stadt Cassano [​Cassano all‘Iono​] zu belagern, ein Verächter jeglicher Frömmigkeit und ein ruchloser Verfolger der heiligen Religion, befahl mit Nachdruck seinen Kampfgenossen, hinzugehen und das ringsum liegende Gebiet zu verwüsten und nichts in den Landhäusern und selbst nicht in den Kirchen zurückzulassen, ja vielmehr alles, was bei der Durchsuchung mit schlauer Findigkeit aufgespürt und zusammengetragen worden war – Menschen, sage ich, und Vieh, Geld und Kleidung –, ihrem Herrn zur Verteilung abzuliefern. Als die Bürger von dieser Gewaltherrschaft und der Härte dieses Befehls hörten, ergriffen alle, vor Schrecken außer sich, die Flucht, doch alle in der Umgebung, die von ihnen aufgefordert worden waren, ebenfalls zu fliehen, waren unschlüssig, ob sie sich ihrer Flucht anschließen sollten.
               Unter denen, die flohen, waren auch die Mönche des seligen Gregor [​Abt Gregor von Kalabrien​], er selbst floh gleichfalls in Begleitung von zwei Mönchen. Das Kloster [​Cerchiara​] aber, dem er vorstand, lag, wie wir wissen, nur fünf Stadien von der Stadt Cassano entfernt. Während nun die Sarazenen umherzogen und die Forderung ihrer Gewaltherrschaft erfüllten, indem sie alles Erreichbare erbeuteten, begegnete ihnen der im Fliehen unerfahrene Vater Gregor. Als sie vernommen hatten, daß er der Abt des Klosters war, glaubten sie, den Durst ihrer Habgier stillen zu können. Da er Beschwerde erhob, daß sie ihn, den Klostervorsteher, ergriffen, verhörten sie ihn, wo denn die Stellen zu finden wären, an denen sich das von ihm in langer Zeit gesammelte Geld befände. Er, der trotz ihrer Grausamkeit nicht davon abließ, das Gebot der Wahrheit zu befolgen, antwortete ihnen gelassen: "Brüder, die kleine Geldsumme, die wir besitzen, dürfen wir euch nicht verhehlen; 27 Tarinen haben wir im Kloster zurückgelassen, die auf unsere Anordnung hin zur Verwendung für die Brüder aufbewahrt werden sollen, mehr Geld aber besitzen wir nicht." Die Sarazenen jedoch, bei seiner Äußerung über diese geringe Geldsumme von großer Wut gepackt, schrien die folgenden Worte, während ihr Zorn noch das erhobene Geschrei verstärkte: "Ergreift diesen Feigling, und behandelt ihn so, daß er, wenn er mit allen möglichen Arten von Folterqualen gepeinigt worden ist, dann gezwungen vorweist, was er freiwillig vorher nicht gewollt hat." Da er ihre Drohungen gänzlich zurückwies, legten sie ihn auf einen Folterrost und zogen mit Fesseln seine Schamteile völlig zusammen, doch sogleich erstarrten ihre Arme wie verdorrt. Wiewohl sie nun noch nicht zu ihm hingetreten waren, um die Fesseln zu lösen, forderten sie von seiner Fürsprache ein Heilmittel für ihre Lähmung. Er aber, eingedenk des Gebotes des Meisters, vergalt Böses mit Gutem (vgl. Röm 12,17), erlangte durch inständiges Bitten Vergebung für seine Feinde und stellte die frühere Gesundheit ihrer Arme wieder her.
          Durch dieses Wunder waren alle vor Staunen ganz außer sich. Einer von ihnen, den Zahn schmerzen heftig quälten, verlangte dringend, ihm mit einem Heilmittel zu helfen, und als der Abt das Kreuzzeichen über die schmerzende Stelle gemacht hatte, heilte er ihn völlig. Für diese beiden Wunder, die durch die Gunst der göttlichen Güte so plötzlich begonnen und aus Barmherzigkeit auch so schnell vollbracht worden waren, war die Fülle der Liebe die Urheberin, weil er ihnen nicht nur das, was sie gegen ihn gesündigt hatten, vergeben, sondern auch Gottes Strafe gegen sie durch die Gnade seiner Fürsprache abgewendet und ihnen durch Gottes Erbarmen wieder heile Glieder, wie sie sie vorher besessen hatten, gegeben hatte.

Hinweise zur Übersetzung

Vita Gregorii abbatis prior, in: Gregor von Kalabrien. Die beiden mittelalterlichen Lebensbeschreibungen des Gründers der Abtei Burtscheid, bearb. von Helmut Deutz (Gesellschaft Burtscheid für Geschichte und Gegenwart e.V. Schriften 7), Aachen 1997, S. 45-73, S. 61-65.

Anmerkungen

Da sich die Wundergeschichte über die Heilung der Zahnschmerzen direkt an die Belebung der erlahmten Gliedmaßen von den Sarazenen anschließt und mit „ex eis unus“ eingeleitet wird, könnte sie sich noch auf die Sarazenen beziehen und wurde deshalb mit aufgenommen.
          Thomas Wurzel, Die Reichsabtei Burtscheid. Kloster, Konvent, Besitz vor der Gründung im 10. Jahrhundert bis zur frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Aachen 4), Aachen 1984, S. 12 mit Anm. 33, datiert die Ereignisse anhand der Annalen des Lupus Pratospatarius und der Chronik Bischof Romualds II. von Salerno in die Jahre 986/87.
          Über das Ereignis berichtet ebenfalls die Vita posterior Vita Gregorii abbatis porcetensis posterior 0001. Allerdings nennt diese einen anderen Ort, wie sich auch im Ablauf der Handlung Unterschiede finden.

Weitere Quellenstellen

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Zitierhinweis

Vita Gregorii abbatis prior 0001, in: Repertorium Saracenorum, hg. von Matthias Becher und Katharina Gahbler, unter Mitarbeit von Ben Bigalke, Jonathan Blumtritt, Lukas Müller, Patrick Sahle et al., URL: https://saraceni.uni-koeln.de/wiki/Vita_Gregorii_abbatis_prior_0001 (zuletzt abgerufen am 29.04.2024).