Sog. Fredegar-Chronik mit Fortsetzung 0012
Sog. Fredegar-Chronik mit Fortsetzung 0012 | |
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aus dem Werk | Sog. Fredegar-Chronik mit Fortsetzung |
Zitation | Fredegar, Chronik Cont. 20, ed. Krusch 1888, S. 177-178. |
datiert auf | 737 |
VerfasserIn | VerfasserIn unbekannt |
Abfassungsort | Abfassungsort unbekannt |
Inhaltsangabe
Der fränkische Hausmeier Karl Martell belagert und erobert [737] die von Sarazenen besetzte Stadt Avignon. Anschließend belagert er auch die Stadt Narbonne, die ebenfalls von den Sarazenen eingenommen worden war. Die Sarazenen erhalten daraufhin Unterstützung unter Führung einer ihrer Könige Omar ibn-Chaleds. In einer Schlacht an der Berre siegt Karl Martell schließlich über die Sarazenen, die, nachdem ihr König getötet worden war, über das Meer fliehen. Das Heer Karl Martells verfolgt sie, macht große Beute und Gefangene. Anschließend verwüstet das fränkische Heer weiter gotisches Gebiet, bevor es zurück ins Frankenreich zieht.
Volltext
(20). Denuo rebellante gente valida Ismahelitarum, quos modo Sarracinos corrupto vocabulo nuncupant, inrumpentesque Rodanum [Rhône] fluvium, insidiantibus infideles hominibus sub dolo et fraude, Mauronto [Herzog Maurontus] quidem cum sociis suis, Avennionem [Avignon] urbem munitissimam ac montuosam ipsi Sarracini, collecto hostile agmine, ingrediuntur; illisque rebellantibus, ea regione vastata. Ad contra vir egregius Carlus dux [Karl Martell] germanum suum, virum industrium Childebrando ducem [Graf Childebrand von Burgund] cum reliquis ducibus et comitibus illis partibus cum apparatu hostile diriget. Quique praepropere ad eandem urbem pervenientes, tentoria instruunt, undique ipsud oppidum et suburbana praeoccupant, munitissimam civitatem obsedunt, aciem instruunt, donec insecutus vir belligerator Carlus praedictam urbem adgreditur, muros circumdat, castra ponit, obsidionem coacervat. In modum Hiericho cum strepitu hostium et sonitum tubarum, cum machinis et restium funibus super muros et edium moenia inruunt, urbem munitissimam ingredientes succendunt, hostes inimicos suorum capiunt, interficientes trucidant atque prosternent et in sua dicione efficaciter restituunt. Victor igitur atque bellator insignes Carlus intrepidus Rodanum [Rhône] fluvium eum exercitu suo transiit, Gotorum fines penetravit, usque Narbonensem [Narbonne] Galliam [Gallien] peraccessit, ipsam urbem celeberrimam atque metropolim eorum obsedit, super Adicec [Aude] fluvio munitionem in girum in modum arietum instruxit, regem Sarracinorum nomine Athima [Abd ar-Rahman ibn Abdallah al-Ghafiqi] cum satellitibus suis ibidem reclusit castraque metatus est undique. Haec audientes maiores natu et principes Sarracinorum, qui commorabantur eo tempore in regionem Spaniarum [Spanien], coadunato exercito hostium, cum alio rege Amormacha [Omar ibn Chaled] nomine adversus Carlum viriliter armati consurgunt, praeparantur ad proelium. Contra quos praefatus vir Carlus dux triumphator occurrit, super fluvium Byrra [Berre] et valle Corbaria palatio occurrit. Illisque mutuo confligentibus, Sarracini devicti atque prostrati, cernentes regem eorum interfectum, in fugam lapsi terga verterunt; qui evaserant cupientes navale evectione evadere, in stagnum maris natantes, namque sibimet mutuo conatu insiluunt. Mox Franci cum navibus et iaculis armaturiis super eos insiluunt, suffocantesque in aquis, interimunt. Sicque Franci triumphantes de hostibus, praeda magna et spolia capiunt; capta multitudine captivorum, cum duce victore regionem Goticam depopulant. Urbes famosissimas Nemausum [Nîmes], Agatem [Agde] hac Biterris [Béziers], funditus muros et moenia destruens, igne subposito, concremavit; suburbana et castra illius regiones vastavit. Devicto adversariorum agmine, Christo in omnibus praesule et caput salutis victorie, salubriter remeavit in regionem suam, in terra Francorum [Frankenreich], solium principatus sui.
Übersetzung
20. Abermals erhob sich das mächtige Volk der Ismaeliten, die man jetzt mit einer falschen Bezeichnung Sarazenen nennt; sie drangen bis zur Rhône [Rhône] vor, wo Abtrünnige, nämlich Maurontus [Herzog Maurontus] mit seinen Gefährten, mit List und Betrug im Hinterhalt lagen; die Sarazenen sammelten ihr feindliches Heer und drangen in die stark befestigte und auf einem Berg liegende Stadt Avignon [Avignon] ein; bei diesem Aufstand verwüsteten sie die Gegend. Dagegen schickte der vortreffliche dux Karl [Karl Martell] seinen Bruder, den dux Childebrand [Graf Childebrand von Burgund], einen tüchtigen Mann mit anderen duces und comites mit einem Heeresaufgebot in jene Gegend. Sie gelangten sehr rasch zu dieser Stadt, schlugen Zeltlager auf und besetzten auf allen Seiten das Gebiet rund um die Stadt; sie belagerten die stark befestigte Stadt und stellten eine Schlachtreihe auf, bis der große Krieger Karl ihnen nachfolgte und die genannte Stadt angriff; er legte Mauern herum, schlug ein Lager auf und verschärfte die Einschließung. Wie bei Jericho griffen sie unter Kriegsgeheul und Tubenklängen mit Belagerungsgeräten und Strickleitern die Stadt- und Hausmauern an, drangen in diese wohlbefestigte Stadt ein und steckten sie in Brand; sie nahmen das Heer ihrer Feinde gefangen, metzelten und warfen sie nieder und brachten die Stadt mit Erfolg wieder in ihre Gewalt. Als Sieger überquerte so der ausgezeichnete Krieger Karl mit seinem Heere furchtlos die Rhône [Rhône], drang in das Gebiet der Goten ein und gelangte nach Narbonne [Narbonne] in Gallien [Gallien]; er belagerte jene hoch berühmte Stadt, ihre Metropole, legte an der Aude [Aude] in der Art von Sturmböcken eine kreisförmige Befestigungsanlage an, schloß den König der Sarazenen namens Abderman [Abd ar-Rahman ibn Abdallah al-Ghafiqi] mit dessen Begleitern dort ein und steckte rundherum ein Lager ab. Als die Vornehmen und die Fürsten der Sarazenen, die sich zu dieser Zeit in Spanien [Spanien] aufhielten, dies hörten, sammelten sie ein feindliches Heer und erhoben sich mannhaft unter einem anderen König namens Omar ibn Chaled [Omar ibn Chaled] in Waffen gegen Karl und trafen Vorbereitungen für eine Schlacht. Der genannte Herr Karl, der triumphierende Feldherr, brach gegen sie auf und eilte ihnen an der Berre [Berre] beim Palast im Tale der Corbères entgegen. Dort stürmten sie nun gegenseitig aufeinander los und die Sarazenen wurden besiegt und niedergeworfen; als sie sahen, daß ihr König getötet war, wandten sie sich zur Flucht und entkamen; jene, die entkommen waren, versuchten zu Schiff zu entkommen; wie sie aber im seichten Meer schwammen, behinderten sie sich gegenseitig. Bald drangen die Franken mit Schiffen und Wurfspeeren auf sie ein, durchbohrten sie in den Fluten und töteten sie. So triumphierten schließlich die Franken über die Feinde und eroberten viel Kriegsbeute; als sie viele Gefangene gemacht hatten, verwüsteten die Franken mit ihrem siegreichen Feldherrn das Gotenland. Die hochberühmten Städte Nimes [Nîmes], Agde [Agde], und Béziers [Béziers] ließ er samt ihren Haus- und Stadtmauern bis zum Boden niederreißen, legte Feuer und steckte sie in Brand; er zerstörte auch die Vorstädte und Befestigungen dieses Gebietes. Als er, der bei allen Entscheidungen von Christus geleitet wurde, in dem allein das Heil des Sieges liegt, das Heer seiner Feinde besiegt hatte, kehrte er wohlbehalten in sein Gebiet zurück, ins Land der Franken [Frankenreich], den Sitz seiner Herrschaft.
Hinweise zur Übersetzung
Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar – Die Fortsetzungen der Chroniken des sogenannten Fredegar, bearb. von Andreas Kusternig – Herbert Haupt, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4a), Darmstadt ²1994, S. 1-325, S. 289ff.
Anmerkungen
Zur Datierung vgl. Ulrich Nonn, Art. Karl Martell, in: Lexikon des Mittelalerts 5, Sp. 954-956, [Brepolis Medieval Encyclopedias - Lexikon des Mittelalters Online, 2017-08-10].
Die als Könige bezeichneten Sarazenen Athima und Amormacha lassen sich nicht genauer identifizieren. In Chronicon Moissiacense 0004 wird Yussuf Ibn Abd ar-Rahman wenige Jahre zuvor als Statthalter von Narbonne genannt, dieser könnte mit dem hier genannten identisch sein, vgl. auch Roger Collins, The Arab Conquest of Spain. 710-797, Oxford – Cambridge 1989, S. 112. Adthima wird von Kusternig und Haupt in der deutschen Übersetzung als Abderman, Amormacha wird als Omar ibn-Chaled übersetzt. Zu Maurontus und dem Titel ‚dux‘ vgl. Patrick J. Geary, Aristocracy in Provence. The Rhône Basin at the dawn of the Carolingian Age (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 31), Stuttgart 1985, S. 123.
In der Kapitelübersicht, die Krusch in seiner Edition den jeweiligen Büchern voranstellt, wird für diese Erzählung auf Kap. IV,108 verwiesen zusammen mit dem Bericht in sog. Fredegar-Chronik mit Fortsetzung 0014. (Vgl. Ebd., S. 122.)
Vgl. Gesta sanctorum patrum Fontanellensis coenobii 0002; Chronicon Moissiacense 0005
Weitere Quellenstellen
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