Vita Hludovici Pii imperatoris 0005
Vita Hludovici Pii imperatoris 0005 | |
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aus dem Werk | Vita Hludovici Pii imperatoris |
Zitation | Vita Hludovici imperatoris 13, ed. Tremp 1995, S. 312-320. |
zeitliche (Quellen-)Angabe | 803/804 |
datiert auf | 800/801 |
VerfasserIn | Sog. Astronomus |
Abfassungsort | Corvey, St. Denis, Orléans |
Inhaltsangabe
Der Statthalter von Barcelona Sa’dun al-Ru’aini rückt im Jahr 803 [800] bis nach Narbonne vor, gerät in Gefangenschaft und wird vor König Ludwig I. den Frommen und Kaiser Karl I. den Großen geführt. 804 [801] greift Ludwig die von Sarazenen bewohnte Stadt Barcelona an, belagert sie lange und kann sie schließlich erobern.
Volltext
Aestate hanc sequente, Zaddo dux Barcinnonensis [Sa’dun al-Ru’aini] suasus est a quodam sibi, ut putabat, amico, Narbonam [Narbonne] usque procedere. Qui comprehensus, Hludouuico [Ludwig I. der Fromme] regi est adductus et patri Karolo [Karl I. der Große] itidem perductus. Ipso tempore Hludouuicus rex, coacto populo regni sui, Tolosae [Toulouse] de his que agenda videbantur tractans deliberabat. Burgundione [Burgund] namque mortuo, comitatus eius Fedentiacus [Fézensac] Liutardo [Graf Liutard von Fézensac] est attributus. Quam rem Uuascones moleste ferentes, in tantam erupere petulantiam, ut etiam homines illius alios ferro perimerent, alios igni conburerent. Qui vocati, cum primum venire detrectarent, quoquo modo ad causam dicendam venerunt et poenas debitas pro talibus ausis dederunt, ita ut quidam talionis lege igni conflagrarent.
His peractis, succedente tempore visum est regi [Ludwig I. der Fromme] et consiliariis eius, ut ad Barcinnonam [Barcelona] obpugnandam ire deberent; divisoque in tres partes exercitu, unam quidem Ruscellioni [Roussillon] ipse permanens secum retinuit, alteri obsidionem urbis iniunxit, cui Rotstagnus [Graf Rotstagnus von Gerona] comes Gerunde prefuit, terciam autem, ne forte obsidentes urbem improvise ab hostibus occuparentur, ultra urbem sedere praemisit. Obsessi interea intra urbem Cordubam [Cordoba] miserunt, auxilium poposcerunt. Rex vero Sarracenorum protinus auxiliatum et exercitum direxit. Venientibus porro his, qui missi fuerant, Caesaraugustam [Saragossa]
[Saragossa], latum est eis de exercitu in via sibi obviam constituto. Erat enim ibi Uuillelmus [Wilhelm von Toulouse], primus signifer, Hademarus [Hademar von Narbonne] et cum eis validum auxilium. Quod illi audientes, in Hasturas sese verterunt clademque illis inprovise importaverunt, sed multo graviorem reportaverunt. Quibus recedentibus, nostri ad sotios urbem obsidentes reversi sunt et illis iuncti tamdiu urbem obambientes et nullum ingredi aut egredi permittentes vexarunt, donec famis acerbitate coacti sunt etiam vetustissima hostiis coria detrahere et in cibum infelicissimum vertere. Alii autem mortem infelicissimę proponentes vitae, ex muris semet praecipites mittebant, aliqui vero spe animabantur inani, cogitantes quod Franci hiemis asperitate a civitatis cohiberentur obsidione. Sed hanc illorum spem abscidit prudentium consilium virorum: advecta enim undecumque materiae, coeperunt extruhere casas veluti ibidem in hibernis mansuri. Quod cernentes civitatis habitatores, ab spe deciderunt et ad desperationem ultimam versi, suum principem tradiderunt, Zaddunis cognatum, quem pro eo constituerant, nomine Hamur, et se ac civitatem, concessa facultate tute secedendi, dediderunt hoc modo: Cum enim longa fessam obsidione nostri cernerent urbem et iamiamque capiendam aut tradendam crederent, honesto, ut decebat, usi consilio regem vocant, ut urbs tanti nominis gloriosum nomen regi propagaret, si illam eo praesente superari contingeret. Suggestioni huic admodum rex honeste adsensum praebuit. Venit ergo ad exercitum suum urbem vallantem; atque indesinenti oppugnatione sex ebdomadibus pertinacissime perduravit, et tandem superata victori manus dedit. Tradita ergo et patefacta civitate, primo quidem die custodes ibidem rex destinavit, ipse autem ab eius ingressu abstinuit, donec ordinaret, qualiter cum digna Deo gratiarum actione cupitam atque susceptam victoriam eius nomini consecraret. Antecedentibus ergo eum in crastinum et exercitum eius sacerdotibus et clero, cum sollempni apparatu et laudibus hymnidicis portam civitatis ingressus et ad ecclesiam sanctae et victoriosissimę crucis pro victoria sibi divinitus conlata gratiarum actiones Deo acturus est progressus. Porro post haec Bera [Graf Bera von Barcelona] comite ibidem ob custodiam relicto cum Gothorum auxiliis, hiemandi gratia ad propria remeavit. Cui pater [Karl I. der Große], comperto quod ei inminere videbatur a parte Sarracenorum periculo, fratrem Karolum [Karl der Jüngere] suffragaturum mittebat; eique Lugduni [Lyon] iter agenti et ad fratris adiutorium properanti nuntius regis fratris occurrit, captam civitatem nuntiavit et, ne longius fatigaretur, edixit. Qui ab eodem loco regrediens, ad patrem est reversus.
Übersetzung
Im nächsten Sommer wurde Herzog Zaddo von Barcelona [Sa’dun al-Ru’aini] von jemandem, den er für seinen Freund hielt, überredet, bis nach Narbonne [Narbonne] vorzurücken. Er geriet in Gefangenschaft und wurde vor König Ludwig [Ludwig I. der Fromme] und (darauf) ebenfalls vor dessen Vater Karl [Karl I. der Große] geführt. Um diese Zeit hielt König Ludwig in Toulouse mit dem versammelten Volk seines Königreiches Rat über die Angelegenheiten, die es zu regeln galt. Nach dem Tod des Burgundio wurde seine Grafschaft Fezensac [Fézensac] dem Liutard [Graf Liutard von Fézensac] verliehen. Darüber wurden die Basken aufgebracht und gingen in ihrem Mutwillen so weit, einige von seinen Leuten mit dem Schwert zu töten und andere zu verbrennen. Sie wurden vorgeladen, weigerten sich zuerst zu erscheinen, kamen schließlich doch, um ihre Sache vor Gericht zu vertreten. Sie erhielten die verdiente Strafe für solche Verbrechen, denn einige von ihnen wurden nach dem Recht der Talionsstrafe verbrannt.
Nachdem dies ausgeführt war, beschlossen der König [Ludwig der Fromme] und seine Berater, nach Barcelona [Barcelona] zu ziehen und die Stadt anzugreifen. Das Heer wurde in drei Abteilungen geteilt; die eine behielt Ludwig, der im Roussillon [Roussillon] zurückblieb, bei sich; der zweiten, unter dem Kommando von Graf Rotstagnus von Gerona [Graf Rotstagnus von Gerona], übertrug er die Belagerung der Stadt, die dritte Abteilung schickte er voraus mit dem Befehl, sich zum Schutz der Belagerer vor einem unerwarteten Überfall der Feinde jenseits der Stadt aufzustellen. Die Belagerten in der Stadt sandten inzwischen (Boten) nach Cordoba [Cordoba] und forderten Hilfe. Der König der Sarazenen schickte ihnen sogleich ein Heer zur Unterstützung. Als diese Hilfstruppen nach Saragossa [Saragossa]
[Saragossa] kamen, erfuhren sie, daß sich ihnen auf dem Weg ein Heer entgegengestellt hatte. Wilhelm [Wilhelm von Toulouse] war dessen Führer und Bannenträger, auch Hademar war dabei und mit ihnen eine starke Mannschaft. Als (die Sarazenen) dies hörten, wandten sie sich gegen die Asturier und brachten ihnen unerwartet eine Niederlage bei, erlitten dann aber selber eine noch viel schwerere Niederlage. Weil sie sich zurückzogen, kehrten die Unsrigen zu ihren Genossen, den Belagerern der Stadt, zurück und bedrängten mit ihnen vereint die Stadt. Sie schlossen sie ein und ließen so lange keinen hinein oder heraus, bis bitterer Hunger die Einwohner zwang, sogar das uralte Leder, welches als Vorhang an den Türen hing, abzunehmen und als erbärmliche Speise zu verzehren. Einige zogen diesem elenden Leben den Tod vor und stürzten sich kopfüber von den Mauern, andere klammerten sich noch an die vergebliche Hoffnung, die Franken würden durch den rauhen Winter gezwungen, von der Belagerung der Stadt abzulassen. Aber der Rat kluger Männer machte ihre Hoffnung zunichte: man ließ nämlich von überall her Bauholz heranfahren und fing an, Hütten zu bauen, wie wenn man in ihnen den Winter zubringen wollte. Als dies die Bewohner der Stadt sahen, schwand ihnen jede Hoffnung, und in der äußersten Verzweiflung lieferten sie ihren Fürsten aus, einen Verwandten Zaddos namens Hamur, den sie an seine Stelle gesetzt hatten. Nach Zusicherung freien Abzugs übergaben sie sich und die Stadt auf folgende Weise: Als nämlich die Unsrigen die Stadt durch die lange Belagerung erschöpft sahen und glaubten, sie könne jeden Augenblick eingenommen werden oder müsse sich ergeben, faßten sie, wie es sich gehörte, den ehrenvollen Entschluß, den König herbeizurufen, damit eine Stadt von solchem Ruf den Namen des Königs berühmt mache, falls es gelänge, sie in seiner Gegenwart zu bezwingen. Diesem ehrenvollen Ansuchen gab der König seine Zustimmung. Er kam zu seinem Heer, das die Stadt umschloß; noch sechs Wochen lang hielt sie der ununterbrochenen Bestürmung hartnäckig stand; schließlich wurde sie überwunden und ergab sich dem Sieger. Als nun die Stadt übergeben und geöffnet war, schickte der König am ersten Tag Wachmannschaften hinein; er selbst verschob jedoch seinen Einzug, bis er angeordnet hatte, wie er mit einem vor Gott würdigen Dankfest den erstrebten und erlangten Sieg dessen Namen weihen könnte. Am folgenden Tag schritt er mit den Priestern und der Geistlichkeit, die ihm und dem Heer vorangingen, in feierlichem Aufzug und unter Lobgesängen durch das Tor der Stadt und begab sich zur Kirche des heiligen und siegreichen Kreuzes, um dort für den ihm von Gott verliehenen Sieg diesem seinen Dank abzustatten. Hierauf ließ (Ludwig) Graf Bera [Graf Bera von Barcelona] dort mit gotischen Truppen als Besatzung zurück und begab sich zur Überwinterung nach Hause. Ihm schickte der Vater [Karl I. der Große], da er von der Gefahr gehört hatte, die (dem Sohn) von den Sarazenen zu drohen schien, seinen Bruder Karl [Karl der Jüngere] zur Unterstützung; als dieser auf dem Weg, um dem Bruder eilends Hilfe zu bringen, nach Lyon [Lyon] kam, traf ihn ein Bote des Königs, seines Bruders, meldete ihm die Einnahme der Stadt und hieß ihn sich nicht weiter bemühen. Darauf verließ (Ludwig) jenen Ort und kehrte zum Vater zurück.
Hinweise zur Übersetzung
Vita Hludovici imperatoris 13, ed. Tremp 1995, S. 313-321.
Anmerkungen
Die Datierung ergibt sich aus Vita Hludovici imperatoris 13, ed. Tremp, S. 315, Anm. 146.
Der Bannerträger Wilhelm von Toulouse war ein Vetter Karls des Großen (vgl. ebd., S. 317, Anm. 149). Bei Hademar handelt es sich wohl um den Grafen von Narbonne und Heerführer Ludwigs in den spanischen Kriegen (vgl. ebd, S. 313, Anm. 134). Hamur ist möglicherweise identisch mit dem beim arabischen Historiographen Ibn Hazm bezeugten Statthalter von Barcelona Amira ibn al-Muhadjir al-Tudjibi (vgl. ebd., S. 318, Anm. 155). Vgl. außerdem zu Graf Bera von Barcelona Vita Hludovici imperatoris 14, ed. Tremp, S. 323, Anm. 170 u. S. 317, Anm. 149.
Die Identifizierung des Zaddo dux Barcinnonensis mit Wali Sa’dun al-Ru’aini von Barcelona liefert Tremp im Namensregister der Edition, vgl. Vita Hludovici imperatoris 13, ed. Tremp, S. 592.
Ein ähnlicher Bericht findet sich im Chronicon Moissiacense, allerdings erfolgte diesem zufolge die Gefangennahme Sa’dun al-Ru’ainis im Zusammenhang mit der Eroberung Barcelonas, vgl. Chronicon Moissiacense 0011.
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